GisChem
 


Erste Hilfe nach Einatmen



Die grundsätzlich durchzuführenden Maßnahmen sind bereits mit einem Häkchen versehen. Überprüfen Sie im Einzelfall, ob bei dem zu bearbeitenden Stoff andere oder zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind.

Nach dem Einatmen von Lungenreizstoffen ist zusätzlich zu beachten:

  • Der Verletzte sollte körperliche Anstrengungen vermeiden; er sollte möglichst getragen oder gefahren und anschließend mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden.
  • Ein toxisches Lungenödem kann sich auch noch nach einem mehrstündigen symptomfreien Intervall entwickeln. Eine Lungenödemprophylaxe ist jedoch nur in der Frühphase der Schädigung möglich; daher wird die frühzeitige Inhalation eines Kortisonsprays empfohlen.

Zu den sogenannten "Reizgasen" zählt man auch Dämpfe, Nebel, Rauche und Stäube (Aerosole) bestimmter Stoffe.

Die Zahl der Lungenreizstoffe ist sehr groß, man findet sie in allen Bereichen der Chemie. Eine große Gruppe von Reizgasen greift in erster Linie am oberen Atemtrakt an (z.B. Ammoniak, Formaldehyd, Salzsäure). Diese führen sofort zum "oberen Reizsyndrom" mit Augentränen, Konjunktivitis, Nasenlaufen, Rachenbrennen, Heiserkeit und vor allem Hustenreiz. Eine kleine Gruppe von Reizgasen greift jedoch primär im Alveolenbereich der Lunge an (z.B. Nitrose Gase, Phosgen). Hier tritt erst nach einer gewissen Latenzzeit (von wenigen Stunden bis zu maximal 48 Stunden!) das "untere Reizsyndrom" mit Reizhusten und Atemnot auf, das in der Folge zu einem unter Umständen tödlichen Lungenödem führen kann. In der vorangehenden Latenzzeit liegt jedoch häufig Beschwerdefreiheit vor. Eine effektive Lungenödemprophylaxe ist jedoch nur in dieser Frühphase möglich.
In der folgenden Aufzählung werden die wichtigsten Stoffe genannt, die zu diesem "unteren Reizsyndrom" mit anschließendem Lungenödem führen können:

Dimethylsulfat
Perchlormethylmercaptan
Chlorpikrin
Ozon
Vanadiumpentoxid
Nitrose Gase
Phosgen
Chlorameisensäureester
Diazomethan
Zinknebel
Cadmiumoxid
Borwasserstoffe (Borane)
Phosphorwasserstoff
Methylfluorosulfat
Teflon-Verbrennungsprodukte
Nickel-/Eisencarbonyle
Chlorcyan
Schwefelwasserstoff
Ethylenimin
Schwefeldioxid
Phosphorchlorid
Arsentrichlorid
Isocyanate
Chlor, Brom, Fluor
Fluorwasserstoff
Selenwasserstoff


In jedem Falle sollten die in einem Notfall behandelnden Krankenhäuser z.B. durch Weitergabe der Betriebsanweisung sowie der infrage kommenden Merkblätter (GisChem-Datenblätter, Stoffmerkblätter der BG RCI) über die Behandlungsmöglichkeiten informiert werden.


Beispiel: Hinweise für den Arzt nach Exposition gegenüber Phosgen
(entnommen dem früheren Merkblatt M015 "Phosgen")

"Die Therapie sollte sich an der mutmaßlichen Inhalationsdosis orientieren. Mit Hilfe von Phosgen-Indikator-Plaketten ist eine Abschätzung der Expositionsdosis möglich; von dieser kann auf Grund anamnestischer Angaben (Atmung während der Inhalation; eventueller Atemschutz) auf die Inhalationsdosis geschlossen werden. Wenn keine Indikator-Plaketten getragen wurden, kann man versuchen, anhand des Initialbefundes die inhalierte Dosis abzuschätzen: Initiale vorübergehende Reizerscheinungen an den Schleimhäuten von Augen und oberen Luftwegen lassen höhere Phosgenkonzentrationen und damit auch höhere Inhalationsdosen vermuten. Frühzeitige Therapie ist in diesen Fällen besonders wichtig (s. u.).

Ein toxisches Lungenödem kann noch nach vielen Stunden auftreten. Folgende Maßnahmen sind daher in Abhängigkeit von der Beschwerdesymptomatik erforderlich:

  • Mindestens 24 Stunden klinische Überwachung
  • Röntgenthoraxaufnahme und Lungenfunktion
  • Entlassung des Patienten frühestens nach 24 Stunden, falls keine klinischen Hinweise auf ein toxisches Lungenödem bestehen und Röntgenkontrollaufnahmen (perihiläre Trübungen!) sowie die Lungenfunktion unverändert sind.
  • Bei Hinweisen auf ein sich entwickelndes Lungenödem ist eine intensiv-medizinische Betreuung mit Überdruckbeatmung zu gewährleisten.

Bei klinisch manifestem Lungenödem kann die Gabe von Sauerstoff, Glukokortikoiden, Bronchodilatatoren, Antitussiva, Sedativa, Herzglykosiden und Antibiotika (Pneumonieprophylaxe) sinnvoll sein.

In Betrieben, in denen Phosgen-Indikator-Plaketten eingeführt sind, wird dem Arzt folgendes Vorgehen empfohlen:

  • Nach Expositionsdosen zwischen 50 und 150 ppm x min sind nur vorübergehende Störungen der Blut-Luft-Schranke zu erwarten. Hier genügt neben der klinischen Überwachung die Inhalation eines kortikoidhaltigen Dosieraerosols (3 x 5 Hübe) sowie eventuell die Gabe von Prednisolon i.v. (0,25 bis 1 g).
  • Bei Inhalationsdosen über 150 ppm x min ist ein klinisch manifestes Lungenödem nach entsprechender Latenzzeit zu befürchten; hier ist die alleinige Gabe eines Kortison-Dosieraerosols nicht ausreichend, es ist zusätzlich die Gabe von i.v.-Prednisolon (0,5 bis 1 g) erforderlich. In Abhängigkeit vom klinischen Verlauf ist eine weitere intensivmedizinische Betreuung, gegebenenfalls mit Überdruckbeatmung (PEEP o. ä.) notwendig.
  • Nach Inhalationsdosen über 400 ppm x min besteht Lebensgefahr. Hier sollten neben der sofortigen intravenösen Prednisolon-Gabe (1 g) eine frühzeitige intensivmedizinische Überwachung und Behandlung (Überdruckbeatmung) erfolgen. Im Einzelfall können zusätzlich die oben genannten symptomatischen Maßnahmen nötig werden."