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Einstufung von Gemischen als akut toxisch

Kriterien zur Einstufung von Gemischen als akut toxisch
 
3.1.3.1. Die in Abschnitt 3.1.2 aufgeführten Kriterien für die Einstufung von Stoffen nach ihrer akuten Toxizität beruhen auf (in Versuchen gewonnenen oder abgeleiteten) Daten zur letalen Dosis. Bei Gemischen müssen Informationen gewonnen oder abgeleitet werden, die es ermöglichen, die Kriterien zwecks Einstufung auf das Gemisch anzuwenden. Die Einstufung nach der akuten Toxizität erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren und hängt davon ab, wie umfangreich die verfügbaren Informationen zu dem Gemisch selbst und seinen Bestandteilen sind. Das Flussdiagramm in Abbildung 3.1.1 zeigt die einzelnen Schritte des Verfahrens.
 
3.1.3.2. Bei der akuten Toxizität ist jeder Expositionsweg zur Einstufung von Gemischen einzeln zu betrachten, erforderlich ist allerdings nur ein Expositionsweg, sofern dieser bei allen Bestandteilen befolgt (abgeleitet oder geprüft) wird. Wenn akute Toxizität für mehr als einen Expositionsweg festgestellt wird, wird die strengere Gefahrenkategorie zur Einstufung verwendet. Alle verfügbaren Informationen sind zu berücksichtigen und alle relevanten Expositionswege sind für die Gefahrenkommunikation zu ermitteln.
 
3.1.3.3. Um alle verfügbaren Daten zur Einstufung der Gefahren von Gemischen zu nutzen, wurden bestimmte Annahmen getroffen, die gegebenenfalls im mehrstufigen Verfahren angewandt werden:
 
a) Als ?relevante Bestandteile? eines Gemisches gelten jene, die in Konzentrationen von 1 % (in Gewichtsprozent (w/w) bei Feststoffen, Flüssigkeiten, Stäuben, Nebeln und Dämpfen; in Volumenprozent (v/v) bei Gasen) oder mehr vorliegen, sofern kein Anlass zu der Annahme besteht, dass ein in einer Konzentration von weniger als 1 % enthaltener Bestandteil dennoch für die Einstufung des Gemisches aufgrund seiner akuten Toxizität relevant ist. (siehe Tabelle 1.1)
 
b) Wird ein eingestuftes Gemisch als Bestandteil eines anderen Gemisches verwendet, kann die tatsächliche oder abgeleitete Schätzung Akuter Toxizität (ATE) dieses Gemisches verwendet werden, wenn die Einstufung des neuen Gemisches anhand der Formeln von Abschnitt 3.1.3.6.1 und Abschnitt 3.1.3.6.2.3 berechnet wird.
 
 
Abbildung 3.1.1 Mehrstufiges Verfahren zur Einstufung von Gemischen bezüglich ihrer akuten Toxizität
 

 
 
3.1.3.4. Einstufung von Gemischen, bei denen Daten zur akuten Toxizität für das komplette Gemisch vorliegen
 
3.1.3.4.1. Wurde das Gemisch selbst auf seine akute Toxizität geprüft, wird es nach denselben Kriterien wie Stoffe gemäß Tabelle 3.1.1 eingestuft. Liegen keine Prüfdaten für das Gemisch vor, sind die nachstehenden Verfahren anzuwenden.
 
3.1.3.5. Einstufung von Gemischen, bei denen keine Daten zur akuten Toxizität für das komplette Gemisch vorliegen: Übertragungsgrundsätze
 
3.1.3.5.1. Wurde das Gemisch selbst nicht auf seine akute Toxizität geprüft, liegen jedoch ausreichende Daten über seine einzelnen Bestandteile und über ähnliche geprüfte Gemische vor, um die Gefahren des Gemisches angemessen zu beschreiben, dann sind diese Daten nach Maßgabe der Übertragungsvorschriften des Abschnitts 1.1.3 zu verwenden.
 
3.1.3.5.2. Wird ein Gemisch mit Wasser oder einem anderen völlig ungiftigen Bestandteil versetzt, kann die Toxizität des Gemisches aus den Prüfdaten des unverdünnten Gemisches errechnet werden. 3.1.3.6. Einstufung von Gemischen auf Basis ihrer Bestandteile (Additivitätsformel)
 
3.1.3.6.1. Für alle Bestandteile sind Daten verfügbar
Damit eine genaue Einstufung des Gemisches gewährleistet und die Berechnung nur einmal für alle Systeme, Sektoren und Kategorien erforderlich ist, sind die Schätzwerte Akuter Toxizität (ATE) der Bestandteile wie folgt zu berücksichtigen:
a) Bestandteile mit einer bekannten akuten Toxizität, die unter eine der Kategorien akuter Toxizität von Tabelle 3.1.1 fallen, sind einzubeziehen;
b) Bestandteile, bei denen man keine akute Toxizität annimmt (z. B. Wasser, Zucker), bleiben unberücksichtigt;
c) Bestandteile, bei denen ein oraler Limit-Test keine akute Toxizität bei 2 000 mg/kg Körpergewicht ergibt, bleiben unberücksichtigt.
Bestandteile, die unter diesen Absatz fallen, gelten als Bestandteile mit bekannten Schätzwerten Akuter Toxizität (ATE). Die ATE des Gemisches wird für die orale, die dermale oder die inhalative Toxizität nach folgender Formel aus den ATE-Werten aller relevanten Bestandteile errechnet:
 
Wobei gilt:
Ci = Konzentration von Bestandteil i ( % w/w oder % v/v)
i = der einzelne Bestandteil von 1 bis n
n = die Anzahl der Bestandteile
ATEi = Schätzwert Akuter Toxizität von Bestandteil i
 
3.1.3.6.2. Einstufung von Gemischen, wenn nicht für alle Bestandteile Daten verfügbar sind
 
3.1.3.6.2.1 Ist für einen Einzelbestandteil des Gemisches kein ATE verfügbar, lässt sich jedoch aus verfügbaren Informationen der nachstehend aufgeführten Art ein abgeleiteter Umrechnungswert wie die Werte nach Tabelle 3.1.2 gewinnen, darf die Formel von Abschnitt 3.1.3.6.1 angewandt werden. Dazu gehört die Bewertung folgender Aspekte:
a) Extrapolierung zwischen den Schätzwerten Akuter Toxizität für die orale, dermale und inhalative Toxizität. Bei Bestandteilen, für die Schätzwerte akuter Toxizität für andere als den relevantesten Expositionsweg vorliegen, können die Werte des verfügbaren Expositionswegs auf den relevantesten Expositionsweg extrapoliert werden. Daten für die dermale und die inhalative Exposition sind nicht in jedem Fall erforderlich. Sollten allerdings für bestimmte Bestandteile auch akuter Toxizität für die dermale und die inhalative Exposition vorgeschrieben sein, dürfen nur die Werte des erforderlichen Expositionswegs in die Formel eingesetzt werden. Dieses Vorgehen erfordert in der Regel umfangreiche ergänzende technische Informationen und einen gut ausgebildeten erfahrenen Experten (zur Beurteilung durch Experten siehe Abschnitt 1.1.1), um die akute Toxizität zuverlässig abzuschätzen. Liegen solche Informationen nicht vor, ist nach Abschnitt 3.1.3.6.2.3 weiter zu verfahren. Für eine solche Bewertung können geeignete pharmakodynamische und pharmakokinetische Daten erforderlich sein;
b) Erfahrungen beim Menschen, die auf toxische Wirkungen hindeuten, aber keine Daten zur letalen Dosis ergeben;
c) Befunde aus anderen verfügbaren Toxizitätsprüfungen, die auf akut toxische Wirkungen hindeuten, aber nicht unbedingt Daten zur letalen Dosis ergeben; oder
d) Daten von strukturell nah verwandten Stoffen unter Verwendung von Struktur-Wirkungs-Beziehungen.
 
3.1.3.6.2.2 Falls in einem Gemisch ein Bestandteil, für den keinerlei verwertbare Informationen vorliegen, in einer Konzentration von 1 % oder mehr verwendet wird, gilt der Schluss, dass sich dem Gemisch kein endgültiger Schätzwert Akuter Toxizität zuordnen lässt. In diesem Fall muss das Gemisch ausschließlich anhand der bekannten Bestandteile eingestuft werden und den zusätzlichen Hinweis tragen, dass x Prozent des Gemisches aus einem oder mehreren Bestandteilen von unbekannter Toxizität bestehen.
 
3.1.3.6.2.3 Beträgt die Gesamtkonzentration der Bestandteile unbekannter akuter Toxizität < 10 %, ist die Formel von Abschnitt 3.1.3.6.1 anzuwenden. Beträgt die Gesamtkonzentration der Bestandteile unbekannter akuter Toxizität > 10 %, ist die Formel unter Abschnitt 3.1.3.6.1 zu korrigieren und wie folgt an den Gesamtprozentsatz unbekannter Bestandteile anzupassen:
 
 
 
Tabelle 3.1.2 Umrechnungswerte der im Versuch ermittelten akuten Toxizitätsbereiche (oder der Gefahrenkategorien akuter Toxizität) zur Einstufung je nach Expositionsweg
 
 
Hinweis 1: Diese Werte sind für die Berechnung der ATE zur Einstufung eines Gemisches aufgrund seiner Bestandteile
gedacht und stellen keine Prüfergebnisse dar.